Auge in Auge

Auge in Auge

 

Ansprache zur Ausstellung „Auge in Auge“ Martini Rieser – de Veen Kulturhaus St. Andrä Wördern Ermin Döll

 

Ansprache zur Austellung Ermin Döll

Wieso leistet sich eine Gemeinde den Luxus einer Kunstaustellung? Wieso leisten wir uns überhaupt den Luxus der Kunst? Kunst die eigentlich keinen wirtschaftlichen Nutzen bringt? Warum brauchen wir überhaupt Künstler in einer Welt, in der es doch um Ökonomie, um Brauchbarkeit um Nutzen geht?

Ich behaupte, wir, unsere Gesellschaft wäre ärmer, eintöniger, beschränkter ohne die Kunst, ohne die Künstler. Der Künstler öffnet uns ein Fenster in eine andere Welt, in einer Welt die größer, tiefer, schöner, geheimnisvoller ist als die äußere. Und das macht diese unsere Welt reicher, schöner, interessanter, friedvoller, freundlicher und menschlicher. Der Künstler schaut, was uns gewöhnlichen Menschen meist verschlossen bleibt. Und er lässt uns teilnehmen an einer anderen Sicht der Dinge, des Menschen, der Welt. Ihm geht es um ein anderes Schauen und Darstellen der Wirklichkeit. Kunst, echte Kunst zeigt im dargestellten Sichtbaren das verborgene Unsichtbare; in der künstlerischen Aussage das geheime Unsagbare. Was mit dem besitzergreifenden Blick nicht erfasst werden kann, was mit dem begreifen wollenden Verstand nicht begriffen werden kann, das teilt sich dem Künstler mit in einer tieferen Schau, die aus einer kontemplativen Haltung kommt.

Wollen wir nun dem Künstler und seinem Werk gerecht werden, so verlangt das von uns eine Haltung eine Einstellung, die unsererseits eben der Haltung des Künstlers entspricht, in der dieser das Werk geschaffen hat. Das heißt, es reicht nicht, dass wir mit dem alltäglichen Auge, dem gewohnten Blick an das Kunstwerk herangehen, um es zu vereinnahmen. Wir müssen das Aktivzugreifende vereinnehmen – wollen sein lassen, müssen irgendwie unser inneres Auge erwecken, einen tieferen Blick gewinnen, müssen uns selbst auf eine kontemplative Haltung einlassen, um gleichsam von innen heraus nach außen zu schauen. Müssen unseren Blick öffnen für das Unsichtbare im Sichtbaren, unseren Geist öffnen für das Unsagbare im Gesagten. Im echten Kunstwerk ist eine Dimension verborgen, die hinter oder über der Dimension liegt, die wir mit dem gewohnten Auge erfassen. Eine Dimension, die das Auge der Foto-Linse nicht erfasst, die kein Mikroskop und kein Makroskop sichtbar machen kann. Der Künstler erschließt uns eine andere Welt, eine andere Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit des vom Menschen Gemachten, des Machbaren, Verfügbaren, Begreifbaren. Eine Welt die dem Zugriff des Menschen entzogen ist: die Welt des Unverfügbaren; des Unverfügbaren, das sich umso weiter aus unserer Welt zurückzieht, je mehr wir dabei sind, über alles verfügen zu wollen. Es geht um eine Wirklichkeit, die uns nur zugänglich wird, wenn wir zurücktreten, die Dinge sein lassen, wenn wir still werden und uns einlassen auf das, was sich zeigt, wenn wir uns beeindrucken lassen von einer tieferen Schönheit, einer überwältigenden Wahrheit. Es ist die besondere Gabe des Künstlers, sich beeindrucken zu lassen von einer tieferen Schönheit, sich überwältigen zu lassen von einer größeren Wirklichkeit. Das ist seine Gabe und sein Schicksal. Das macht dem Künstler das Leben nicht einfacher und leichter. Es bedeutet eine große Herausforderung und Verantwortung. Aber es macht sein Leben und sein Schaffen unendlich reicher; und für uns eröffnet es einen Zugang zur andren Welt, der größeren Wirklichkeit über und hinter allem. Es macht auch unser Leben und Erleben unendlich reicher und macht unsere Welt größer und schöner.

Wir leben in einer Welt, die immer mehr zerfällt, auseinander fällt, ins Chaotische entgleitet. Schönheit geht verloren im Chaos. Der Künstler fügt zusammen, ordnet, schafft Harmonie, formt alles zu einer größeren Einheit. Selbst der Kontrast der Gegensätze und Widersprüche ist in einer (tieferen)umfassenden Harmonie aufgehoben. Ein Stück Welt wird wieder ganz, wird wieder heil. Das Kunstwerk ist nicht nur ein Ausschnitt, ein Teil des Ganzen. Es ist ein Ganzes, eine Welt im Kleinen, ein Kosmos im Kleinen. Dem Betrachter offenbart das die Welt, wie sie sein könnte, wie sie gedacht ist als Kosmos in Harmonie und Schönheit. Wir erleben gleichsam eine zweite Erschaffung der Welt. Der Künstler ist kreativer Schöpfer, er schafft etwas, was es noch nie gegeben hat. Immer neu. Wenn wir eine Kunstausstellung besuchen, sollten wir nicht so sehr darauf aus sein, Informationen über den Künstler, über das Werk zu bekommen. Das mag zu einem gewissen Grad hilfreich sein. Aber es kann uns das eigene selbständige Vertiefen in das Kunstwerk nicht abnehmen. Wir sind eh´ viel zu sehr gewohnt, uns von außen, von Anderen informieren, belehren, indoktrinieren zu lassen. Wir sollten vielmehr der eigenen Wahrnehmung, der eigenen Intuition vertrauen. Uns Aug´ in Auge den Bildern aussetzen, im unmittelbaren Gegenüber. Und warten was uns dann anspricht. Warten, bis der Funke überspringt, still und geduldig warten, bis es zündet. Warten was in uns geweckt wird und was aus dem eigenen inneren als Antwort, als Echo gerufen wird. Schauen, lauschen in einem achtsamen Hin und Her des Anschauens und sich – anschauen – und inspirieren – Lassens.

Informationen kommen von außen und bleiben im Außenbereich hängen. A L L E I N der eigene von innen kommende Blick dringt in die Tiefe vor zum Eigentlichen und vermag das Wesentliche zu schauen. Es muss zu einem Aug´ in Auge kommen, so dass – wie uns die spirituellen Meister in Ost und West nahe legen -, so dass es zu einem direkten, unmittelbaren Schauen kommt in dem der Betrachter, das Angeschaute, der Schauer und das Geschaute EINS werden. Das heißt, es muss die gewohnte Distanz, das Anschauen aus der Distanz heraus aufgegeben werden. Bei den gewöhnlichen Dingen ist die kritische Distanz ja durchaus angebracht und meist sogar notwendig. Beim echten Kunstwerk ist diese Distanz nicht nur nicht angebracht, sie verhindert die Unmittelbarkeit und das Einswerden mit dem Bild, mit dem Gegenstand der Kunst. Es kommt daher nicht bloß darauf an, w a s  ich sehe, wie groß- und einzigartig das Kunstwerk ist; sondern es kommt genauso darauf an, w i e  ich es sehe. Bleibe ich wie bei meinem gewöhnlichen Schauen (Am Äußeren) an der Oberfläche hängen, wird auch das großartigste Kunstwerk für mich nicht anders sein als ein gewöhnliches und ein banales. Ist hingegen mein Auge, mein Blick und mein Geist frei und weit, kommt es zu einer tieferen Berührung,  und teilt mir das Kunstwerk etwas mit von seinem Geheimnis. Wenn mir auch nur bei einem einzigen Bild diese wunderbare Erfahrung des unmittelbar Eins-Seins geschenkt wird, hat sich die Ausstellung gelohnt.

 

 

 

Ausstellungseröffnung

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